Eichhörnchen und Maulwurf

Tief im Wald lebten ein Eichhörnchen und ein Maulwurf. Selbstverständlich lebten dort nicht nur EIN Maulwurf und EIN Eichhörnchen. Nein nein, es gab Duzende von ihnen und natürlich lebten da auch noch andere Tiere: Rehe, Hirsche, Wildschweine, diverse Vögel, wie Raben, Kuckucks, Amseln und allerhand kleine Vögel, aber auch große Vögel, wie Bussarde oder Milane, sogar ein Uhu. Des Weiteren Mäuse, Ameisen, allerhand Käfer, wie Hirschkäfer, Mistkäfer, ja sogar eine Familie von Nashornkäfern. Zudem Schnecken, darunter Weinbergschnecken, Nacktschnecken, Schnegel, Stachelschnecken, schlanke Zwerghornschnecken sowie unendlich andere Arten von Krabbel- und Wuselgetiert und alle anderen Tierarten, die hier überhaupt noch nicht erwähnt wurden, von den Pilz- und Pflanzenarten ganz zu schweigen. Doch all diese Tiere spielen in dieser Geschichte, wenn überhaupt nur eine kleine Rolle. In dieser Geschichte geht es um Eichhörnchen und Maulwürfe und zwar um zwei ganz bestimmte Persönlichkeiten dieser Arten.

Es war nämlich so, dass dieser ganz bestimmte Maulwurf für seine Gattung ausgesprochen munter war. Normalerweise waren Maulwürfe eher wirsche und unbehagliche Persönlichkeiten, die lieber für sich unter der Erde lebten und kaum mit jemand sprachen. Doch dieser Maulwurf war ausgesprochen redselig, neugierig und lebenslustig. Er wollte alles entdecken, was es zu entdecken gab, unter und oberhalb der Erde. Von den anderen Maulwürfen wurde er bemitleidet. Keiner rechnete damit, dass er aufgrund seiner Streifzüge oberhalb der Erde noch lange überleben würde.

Das Eichhörnchen wiederum, um das es in der Geschichte geht, war für seine Art doch sehr griesgrämig. Es war faul, hatte auf nichts und niemanden Bock und wollte mit niemanden etwas zu tun haben. Es machte sich keine Mühe Nüsse zu sammeln oder in seinem Nest für Ordnung zu sorgen. Es sprach nicht gern mit anderen und wenn doch, dann maulte und jammerte es herum, was das Zeug hielt. Die anderen Eichhörnchen machten immer einen großen Bogen um ihn. Wenn sie Nüsse verstecken, schauten sie sich fünfmal um, um sicherzugehen, dass besagtes Eichhörnchen nicht linste. Er war nämlich dafür bekannt die Vorräte der anderen Eichhörnchen auszuplündern.

Eines schönen Sommertages machte sich der Maulwurf auf den Weg zum Sonnenbaden, einer seiner Lieblingsbeschäftigungen. Er wühlte und tastete sich durch den Waldboden, als er auf einmal gegen etwas äußert flauschiges stieß. 

„Sach mal! Biste blind oder wat?“, fuhr das Eichhörnchen den Maulwurf an. 

Das Eichhörnchen gönnte sich auf dem Waldboden gerade eine Pause, denn es hatte erst kürzlich einen Vorrat entdeckt, den es geplündert hatte.

„Oh, Verzeihung“, flüsterte der Maulwurf. 

Doch das Eichhörnchen schien ihn nicht gehört zu haben: „Da macht ma’ g’rad’ n kleines Nachmittags-Nickerchen und wird so mir nix dir nix von so nem Blindfisch angerempelt.“ 

„Ach, Verzeihung!“, flüsterte der Maulwurf erneut.

„Häh, wat? Kannste nich’ lauter sprech’n?“

„Ähm, doch, ja, es war nur…“

„Sach ma’, biste n’ Hosenschisser oder wat? Was’n mit dir los? Schwätz’ doch ma’ normal!“

Der Maulwurf räusperte sich. Er war es nicht gewohnt, dass man ihm antwortete oder mit ihm sprach, wenn er irgendwo dagegen stieß, er war bisher auch noch nicht gehen viele Tiere gelaufen. Einmal war er mit einer Nacktschnecke zusammengestoßen, die hatte nur gegrummelt, der Maulwurf hatte sich entschuldigt und beide sind wieder ihre Wege gegangen. Aber sowas wie das Eichhörnchen hatte er noch nie erlebt. 

„Was’n jetzt los?“, brüllte das Eichhörnchen. „Hat ma’ dich abgestellt oder wat? Jetzt sach doch ma’ was!“ 

Der Maulwurf nahm all seinen Mut zusammen und rief, lauter als gedacht: „ES TUT MIR SCHRECKLICH LEID, DASS ICH SIE ANGEREMPELT HABE! ICH FINDE MICH OBERIRDISCH NUR SCHLECHT ZURECHT, UNTERIRDISCH KLAPPT DAS BESSER. HIER GIBT ES EINFACH SO VIELE GERÜCHE, DA…!“

„Wat für Gerüche? Willste sag’n, ich stink’ oder wat?“

„ÄH NEIN! VERZEIHUNG! ENTSCHULDIGEN SIE BITTE, DAS WAR SO NICHT GEMEINT…“

„JETZT HÖR DO’ MA’ AUF SO RUMZUBRÜLLEN!“, schrie das Eichhörnchen zurück. 

„Ach herrje, ja, verzeihen Sie bitte“, erwiderte der Maulwurf kleinlaut. 

„Zum Kuckuck, kannste net normal schwätz’n? Entweder du schreist hier rum oder du schwätzt so leise, dass dich nich’ ma’ n Toter versteh’n könnt’. Stell ma’ dein Regler ein!“ 

Der Maulwurf räusperte sich erneut und sagte dann mit soldatischer Stimme: „Ja, Sir! Ähm! Ja! Verzeihen Sie, bitte.“

Da fing das Eichhörnchen plötzlich an loszuprusten und kugelte sich vor lachen. 

„Entschuldigen Sie bitte, wenn ich erneut etwas falsches gesagt habe. Es tut mir wirklich sehr leid, dass ich Sie angestoßen habe und ich wollte Ihnen wirklich nichts böses und anschreien wollte ich Sie erst recht nicht und ach herrje.“

Da hatte der Maulwurf endlich mal eine Unterhaltung und dann ging sie so dermaßen den Bach runter. Vielleicht sollte er sich öfter einmal mit den Bewohnern des Waldes unterhalten. Aber es war nicht so, dass er es nicht versucht hatte. Bisher wollte sich nur keiner so wirklich lange mit ihm unterhalten. Die meisten hielten ihn für einen klassischen Maulwurf. Dabei muss man wissen, dass Maulwürfe im Wald nicht den besten Ruf pflegten. Weil sie so gut wie blind waren, galten sie als dumm und einfältig. Ihre Griesgrämigkeit und Verschrobenheit trug leider auch nicht positives zu ihrem Image bei. Alle anderen Maulwürfe hielten nichts von Konversationen oder Diskussionen und gingen dem Maulwurf meistens auch aus dem Weg oder ließen ihn mitten im Satz stehen. 

Trübe blickte der Maulwurf zu Boden und sagte: „Es tut mir leid, wenn ich Ihre Zeit verschwendet habe, Sir. Wenn Sie mich bitte Entschuldigen.“ Der Maulwurf wollte sich gerade in die Erde eingraben, als das Eichhörnchen sich wieder etwas beruhigte: „Jetzt, heeh, wart’ doch ma’!“ Der Maulwurf hielt inne. 

„Puuuh, du bis’, ha, vielleich’ n Vogel!“, schnaufte das Eichhörnchen. 

„Entschuldigen Sie…“

„Jetzt hör’ do’ ma’ auf, dich immer zu enschuldig’n. Des nervt. Und ich bin ke’n Sie, ich bin n Du! Seh’ ich aus wie fufzig oder wat?“

Der Maulwurf wollte sich direkt wieder entschuldigen, konnte sich gerade so aber noch auf die Lippe beißen und schüttelte einfach nur den Kopf. 

„Jetzt erzähl’ ma’“, forderte das Eichhörnchen den Maulwurf auf, „wat bis’n du für ener?“ 

„Öh, ich bin…ein Maulwurf“, antwortete der Maulwurf vorsichtig. 

Das Eichhörnchen kratzte sich am Kopf. „Noch nie gehört.“

Der Maulwurf war jetzt tatsächlich etwas verdutzt. Man kannte doch die Tiere des Waldes. Das lernte man doch direkt in der ersten Klasse. Und das Eichhörnchen hatte noch nie was von Maulwürfen gehört? Der Maulwurf wusste doch mittlerweile auch, dass er es mit einem Eichhörnchen zu tun hatte. Allein schon der nussige Geruch und dann das flauschige Fell.

„Sach ma’, haste jetzt wieder verlernt zu schwätz’n oder wat?“ Das Eichhörnchen holte den Maulwurf wieder aus seinen Gedanken. 

„Entschuldige….“

„Wenn du dich noch ma’ enschuldigst, hau ich dir ne Buchecker übern Kopf.“ 

„Ent..ähm, ja, also.“

„Ja, erzähl schon!“

„Sie, äääh, Du weißt echt nicht was ein Maulwurf ist?“, fragte der Maulwurf.

„Nö, noch nie gehört. Komischer Name auch“, erwiderte das Eichhörnchen.

Der Maulwurf wusste nicht so recht, wo er anfangen sollte. Was war ein Maulwurf eigentlich? „Ähm, also, Maulwürfe leben gewöhnlich unter der Erde und..“

„Und was machst du dann hier?“, fuhr ihm das Eichhörnchen direkt dazwischen.

„Ich wollte mich in die Sonne legen“, antwortete der Maulwurf. 

Das Eichhörnchen kicherte. So langsam hatte der Maulwurf das Gefühl, dass sich das Eichhörnchen über ihn lustig macht. 

„Ja, ich mache das gerne. Ich bin ein Maulwurf der gerne unter und auf der Erde lebt. Ich mag die Sonne und ich entdecke und erkunde gerne neue Gebiete und…“

Das Eichhörnchen gähnte. „Also, du, ich bin bisschen müd’, lass ma’ wann anders weiter erzähl’n. Ihr Maulwürfe scheint aber au’ nich’ das spannendste Völkchen zu sein, wat? 

Das Eichhörnchen stopfte sich ein paar Bucheckern in den Mund, legte sich auf den Rücken und schloss sie Augen.

Der Maulwurf war sprachlos. So einen unfreundlichen und unhöflichen und gemeinen und rüden Kerl hatte er bei Leibe noch nicht kennengelernt. Entrüstet machte er sich davon. Doch vor lauter Wut, verlor der Maulwurf etwas die Orientierung. Es fühlte sich an, als ob das Wütendsein seine Nase und Ohren verstopft hätte. Sein Tastsinn schien auch nicht mehr richtig zu funktionieren. Allerdings fiel dies dem Maulwurf gar nicht so richtig auf, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich über das Eichhörnchen aufzuregen. Was das doch für ein Unhold war! Wenn er ihm noch einmal begegnen würde, dann aber! Dann würde er ihm sagen…DOTZ! 

„Verzeihung, ich wollte Sie…“, murmelte der Maulwurf wie automatisiert, bis er auf einmal unterbrochen wurde: „Sapperlott noch ma’! Echt jetzt? DU scho’ wieder? Was’n los, ey? Kann ma’ nich’ ma’ kurz sene Ruhe hab’n?“

Es war schon wieder das Eichhörnchen. Der Maulwurf war wohl im Kreis gelaufen und direkt wieder gegen den Nager gestoßen. 

„Wissen Sie was? Ich nehme meine Entschuldigung zurück! NEIN! Ich nehme ALLE meine Entschuldigungen zurück!“, rief der Maulwurf dem Eichhörnchen entgegen, „Ich habe genug von Ihnen. Es reicht mir jetzt mit Ihren…“

„Des is’ mir doch Schnuppe! Du mit denen Enschuldigungen, bis’ du en Enschuldimuss oder wat?“ 

Dem Maulwurf war es jetzt ein für alle mal zu viel. Diese Anschuldigungen hörte er sich keine Sekunde weiter an. Auf der Stelle buddelte er sich in die Erde ein und verschwand. 

„Heeeh! Beruhig dich do’ ma’! War doch net bös’ g’meint.“ Das Eichhörnchen zuckte mit den Schultern und stopfte sich noch eine Buchecker in die Backe. „Wat für’n komischer Kauz.“

Während das Eichhörnchen die restlichen Bucheckern aus dem geplünderten Vorrat schnabulierte und direkt danach an Ort und Stelle einschlief, war der Maulwurf rastlos und raste durch die unterirdischen Gänge. 

„War das Leben nicht trostlos und einsam genug?“, fragte er sich. „Musste man dann auch noch aufeinander rumhacken und so gemein sein? Hach.“ Der Maulwurf ließ einen tiefen Seufzer los und blieb stehen. Oder, vielleicht…hatte das Eichhörnchen auch einfach einen schlechten Tag. Er kannte einige Maulwürfe, die auch öfter schlechte Tage hatten und dann wegen jeder Kleinigkeit an die Decke gingen. Könnte es beim Eichhörnchen auch so gewesen sein? War er dann nicht der gemeine gewesen? Hätte er vielleicht etwas umsichtiger sein sollen mit dem Eichhörnchen? Schließlich kannte er es gar nicht. Vielleicht hat es ein schlimmes Schicksal erlitten? Und dann kam er so dahergelaufen und verhielt sich wie der letzte Vollidiot! Da konnte man doch mal netter zueinander sein. Der Maulwurf machte auf der Stelle kehrt und machte sich auf den Weg zurück zum Eichhörnchen, um sich für sein Verhalten zu entschuldigen. 

Das Eichhörnchen war gerade eingeschlafen, als…RUMMS! Der Maulwurf kam mit Karacho aus der Erde geschossen und dotzte dem Eichhörnchen direkt in den Hintern. 

„HAAH!“, entfuhr es dem Eichhörnchen. Mit einem Satz stand es auf seinen zwei Hinterbeinen. 

„Eichhörnchen!“, rief der Maulwurf mit feierlicher Stimme, „es tut mir leid! So hätte ich nicht mit dir umspringen dürfen! Ich kenne dich ja gar nicht und bin dann einfach so davon gezischt. Das war unhöflich von mir und ich bin kein unhöflicher Kerl. Es tut mir außerdem leid ganze zwei mal…“

„Drei Mal!“, korrigierte das Eichhörnchen und rieb sich dabei den Hintern.

„…Entschuldige, drei Mal gegen dich gestoßen zu sein. Ich werde mich bemühen, dass dies nicht mehr vorkommt und ich hoffe, dass du dich nicht verletzt hast! Was ich ganz bestimmt nicht wollte, ist dein Tag zu vermiesen.“ 

„Bei dem is’ wohl die Rinde locker“, dachte sich das Eichhörnchen. Aber irgendwas an dem komischen Vieh, fing dem Eichhörnchen an zu gefallen.

„Lass gut sein“, sagte das Eichhörnchen, „reicht jetzt mit dem Enschuldigen und Aufregen. Willste  ne Buchecker?“ 

„Nein, Danke aber für das Angebot“, sagte der Maulwurf. „Ich esse lieber Regenwürmer.“

„Wuuuäääh“, entfuhr es dem Eichhörnchen. „Echt jetzt? So ganz mit Erde und lebendig und so? Wackeln die nich’ voll und sind die nich’ voll glitschig?“

„Ja“, antwortete der Maulwurf. „Das mag ich ja gerade so an ihnen.“

Das Eichhörnchen zuckte mit den Schultern. „Haja, gut. Jedem des seine, gell? Bleib’n mehr Nüsse für mich. Aber, du, sach mal. Wat gibt’s da eigentlich unter der Erde?“

„So allerhand. Meine Lehrerin sagte immer: ‚Das Erdreich ist die Vorratskammer des Waldes‘.“

Das Eichhörnchen wurde hellhörig. „Aha, Vorratskammer also, und warum?“ 

„Naja, zuerst ist da das Wasser gespeichert für die Pflanzen, dann wohnen da die Pilze, also nicht die, die oberirdisch zu sehen sind, nein nein. Pilze sind nicht allein die lustigen Stängel mit Hütchen, es sind ganze Geflechte, die sich wie ein Spinnennetz durch den Wald ziehen…“

Der Maulwurf zählte allerhand Dinge auf, die für das Eichhörnchen völlig uninteressant waren und von denen es kein Wort verstand. Das Geschwätz ließ seine Augen schwer werden. Vielleicht sollte er das Plappermaul doch wieder wegschicken, überlegte das Eichhörnchen, als der Maulwurf auf einmal sagte: „…und allerhand Nüsse, Hafer…“

„Halt, Stopp!“, fuhr das Eichhörnchen dazwischen. „Wat is’ mit Nüssen?“

„In den Vorratskammern der Mäuse und Eichhörnchen gibt es allerhand Nüsse, Hafer, Beeren und..“

„Du kenns’ Vorratskammern der Mäuse und Eichhörnchen?“, fragte das Eichhörnchen.

„Öh, ja klar. Ich komm täglich an mehreren vorbei.“

Das Eichhörnchen bekam große Augen und wedelte leicht mit seinem buschigen Schwanz über den Waldboden. 

„Du, du weißt also, wo die ganze’n Vorräte sin’?“

„Ja, habe ich doch eben gesagt.“ 

„Kannste mich hinbringen?“

„Ähm, ich glaube leider nicht, nein, weil…“. 

„Was? Warum denn nich’? Weil ich dich vorher so ang’macht hab?“

„Nein, das ist es nicht“, antwortete der Maulwurf. „Du passt nicht durch die unterirdischen Gänge.“ 

„Achsoo.“ Enttäuscht ließ das Eichhörnchen die Schultern sinken. „Jetzt stink’ ich nich’ nur, jetzt bin ich au’ no’, au’ no’ fett?“

„Nein, nein, nein, so habe ich das nicht gemeint!“ Ohje, wie hatte sich der Maulwurf da nur wieder reinmanövriert und wie würde er da nur wieder rauskommen? Das Eichhörnchen blickte trübe zu Boden. 

„Ich habe es!“, rief der Maulwurf. „Ja, ich kann dir zwar nicht zeigen, wo die Vorratskammern sind, aber ich kann dir ein paar Nüsse holen.“

„Das würdest du tun? Für mich?“, sagte das Eichhörnchen und grinste leicht verschmitzt. 

„Ja, nach allem, was du mit mir durchgemacht hast, ist es das mindeste was ich für dich tun kann! Warte hier! Ich bin gleich wieder da!“, verkündete der Maulwurf feierlich.

Und schwupps war der Maulwurf im Erdreich verschwunden. Das Eichhörnchen ließ sich  zufrieden auf den Waldboden plumpsen. 

Doch kaum hatte er es sich auf dem Waldboden bequem gemacht, meldete sich eine hohe penetrante Stimme in seinem Kopf zu Wort: „Chrm, Chrm!“

Das Eichhörnchen ignorierte die Stimme, so wie jedes Mal. Sie würde sich noch ein paar Mal räuspern und dann wieder verschwinden. Das Eichhörnchen kannte das, er nannte die Stimme Räusperchen. 

„Chrrm, Chrrm, CHRRRM!“

Das Eichhörnchen blickte auf den Waldboden und war gespannt, wie lange der Maulwurf wohl noch brauchen würde. 

„CHRRRMMM, CHRRRMMM!!“

Und wie das Erdreich wohl aussieht, überlegte das Eichhörnchen.

„CHRRRRMMMMM, CHRRRRMMMM, CHRRRRRMMMMMM!“

Sonderlich schön konnte es da unten nicht sein, wahrscheinlich war es zappenduster und hinter jeder Kurve könnte ein dicker fetter schleimiger Wurm lauern.

„CHRRRMMMM, CHRRRRMMMM, CHRRRRRRMMMM, CHRRRRRRRMMMMM!“

Und es war bestimmt voller Asseln und Käfer und kleinen Miniinsekten. Das Eichhörnchen juckte sich am ganzen Körper. 

„Jetzt reicht`s aber!“, rief Räusperchen entrüstet. 

„Du kanns’ ja sprechen“, dachte sich das Eichhörnchen. „Ich hab’ gedacht du kanns’ nur räuspern.“

„Mit dir wird man wahnsinnig!“

„Mit dir aber au’“, entgegnete das Eichhörnchen. „Dieses ständige Rumgehuste die ganze Zeit. Du kanns’ dir vielleicht angewöhnen jeden Morgen bisschen Honig oder Baumsirup zu schlotzen.“

„Pah! Du Hohlkopf“, schimpfte Räusperchen. „So, ich hab’ ich genug von deinen dämlichen Witzen und deinem egoistischen Verhalten!“

„Ego..was?“

„Deinem E-G-O-I-S-T-I-S-C-H-E-N Verhalten! Du hohler Nusskopf!“

„Jetzt reicht’s aber!“ Dem Eichhörnchen wurde es zu bunt mit Räusperchen. Niemand nannte ihn einen hohlen Nusskopf! Das ging zu weit. 

„Pah! Dein Verhalten geht zu weit, nicht meine Schimpfwörter!“, entgegnete Räusperchen. 

„Ich hab’ doch nix getan!“

„GRRRBBBBrrrrrrrrrr!“, machte Räusperchen und dem Eichhörnchen lief es kalt den Rücken runter. 

„Ich sitz’ hier am längeren Hebel, du verschimmelte Buchecker!“

Das Eichhörnchen verschränkte die Arme. Mit diesem Unhold würde er sich keine Sekunde länger unterhalten. Soll Räusperchen doch schwätzen was es will. Er würde einfach auf den Maulwurf warten. 

„Gibst du endlich Ruhe?“

Das Eichhörnchen antwortete nicht. 

„Gut!“ Räusperchen räusperte sich wieder: „Chrm, Chrm! Also, hör’ mal zu. Ich hab’ mich ja aus deinen Angelegenheiten weitestgehend rausgehalten. Hier und da hab’ ich dies und jenes nicht gutgeheißen und mich etwas geräuspert, aber ich hab’ es dir durchgehen lassen. Der ist einfach faul, hab’ ich mir gesagt. Er meint’s bestimmt nicht böse, hab’ ich mir eingeredet. Tief im inneren ist er ein feines Kerlchen. Aber das heute! Dein Verhalten gegenüber dem Maulwurf! Das hat den Kobel zum Überlaufen gebracht! 

Der Maulwurf ist ein feines Kerlchen und du hast ihn einfach schamlos ausgenutzt, um an noch mehr Nüsse zu kommen! Bist du denn nicht inzwischen FETT GENUG?“

Entrüstet stand das Eichhörnchen auf. 

„Wat has’ du da gesagt?“

„DASS DU FETT BIST!“

„Wenn du das noch enmal sagst, dann…“

„Dann was? Schlägst du dir selbst den Kopf ein?“ Räusperchen kicherte hysterisch. 

„GRRRBBRRRRBBBRRRRR!“ machte Räusperchen und dem Eichhörnchen standen alle Haare zu Berge. 

„Na, endlich hab’ ich ein Mittelchen gefunden, das bei dir hilft! Also: neue Regeln! Hör gut zu! Du wirst nicht mehr gemein sein und schon gar nicht zum Maulwurf! Der ist ein liebes Kerlchen und ich hab’ ihn sehr gern. Du wirst dich bei ihm Entschuldigen und ihm sagen, dass es dir leid tut, wie du dich verhalten hast. Dann wirst du ihn fragen, ob du irgendwas tun kannst, um es wieder gut zu machen.“

Das Eichhörnchen seufzte. Sofort lief ihm ein kalter Schauer den Rücken runter. Wieder lachte Räusperchen. „Außerdem wirst du keine Vorräte mehr plündern!“

„Das geht zu weit!“, protestierte das Eichhörnchen. 

„Mhm, ja ok. Wir wollen ja alle überleben. Aber du wirst sie nicht mehr komplett plündern! Einverstanden?“

„Ok“, erwiderte das Eichhörnchen. Es war zwar nicht begeistert, aber es hatte keine Lust mehr auf diese kalten Schauer, die waren so unangenehm. 

„Mhm, mhm, mhm, mhm“, Räusperchen überlegte. 

„Wat is’n jetzt noch?“, frage Eichhörnchen. 

„Ich überlege’ was für einen Gefallen wir dem Maulwurf tun können, damit er sich freut.“

„Det wird er scho selber wiss’n.“

„Aber, wäre es nicht schöner, wenn wir was vorschlagen würden?“

Das Eichhörnchen seufzte und direkt überfiel ihn eine schauderhafte Gänsehaut.

„Wat hab’ ich denn jetzt gemacht?“

„Du sollst überlegen und dich nicht so sträuben. Der Maulwurf ist unser Freund und wir wollen ihm was gutes tun.“

Das letzte was das Eichhörnchen wollte, war ein Freund, aber gut. Er wollte sich nicht weiter mit Räusperchen anlegen. 

„Ööööh“, überlegte das Eichhörnchen. „Wir können ja mit ihm klettern gehen.“

„Ooooh!“, schwärmte Räusperchen. „Das ist eine fantastische Idee. Ohja! Das machen wir.“

„Gut, aber nur, wenn wir jetzt in Ruhe warten könn’ und kein Wort mehr wechseln.“

„Ch…“

„Und zwar ab jetzt.“

Und dann war Ruhe im Kopf. Das Eichhörnchen legte sich, alle Viere von sich gestreckt, auf den Waldboden, schloss die Augen und ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Endlich hatte er wieder seine Ruhe. 

Währenddessen stand der Maulwurf in der Vorratskammer einer Waldmaus und überlegte. Er steckte in einer Zwickmühle. Zwar wollte er dem Eichhörnchen was gutes tun, weil er auch so gemein zu ihm war, aber er wollte jetzt nicht den ganzen Vorrat der Waldmaus plündern. Außerdem behagte es ihm nicht, überhaupt irgendwas zu plündern. Die Waldmaus hatte bestimmt eine halbe Ewigkeit gebraucht, um sich diesen wundervollen Vorrat anzulegen und jetzt kam er und nahm ihn einfach weg. Das konnte er nicht. Denn was sollte die Waldmaus, denn dann essen? Außerdem würde sie bestimmt einen Herzkasper bekommen, wenn sie zu ihrem Vorrat kam und der plötzlich weg wäre. Und er wäre dann dafür verantwortlich. Nein, das brachte er nicht übers Herz. 

„Ohje, ohje, was mach’ ich jetzt nur?“, flüsterte der Maulwurf vor sich hin. 

„Was hattest du denn vor?“, sagte da eine feste Stimme hinter ihm. 

Vor lauter Schreck machte der Maulwurf einen Satz, drehte sich um und blickte in die Augen der Waldmaus. 

Und auf einmal sprudelte es aus dem Maulwurf hervor: „ohjeohjeohjeohjeohjeohje. Estutmirjasoleiddaswollteichwirklichnichtichwürdedochniemalsundeigentlichaber…“

„Jetzt beruhige dich erstmal“, unterbrach ihn die Waldmaus. „Wir setzen uns jetzt kurz hin, atmen tief durch und du erzählst mir was los ist.“

Der Maulwurf seufzte. Dann erzählte er der Waldmaus, dass er irgendwie anders war, als andere Maulwürfe, dass er gerne oberirdisch die Landschaft erkundete und so gerne in der Sonne lag und sein Fell wärmen ließ. Und, dass er heute auf einmal auf das Eichhörnchen traf und dass er das Eichhörnchen mochte, auch, wenn es etwas grob war und dass er vom einen ins nächste Fettnäpfchen getreten ist und es wieder gut machen wollte, indem er dem Eichhörnchen ein paar Nüsse brachte, denn die mochte es doch so gerne, aber als er jetzt in der Vorratskammer der Waldmaus stand, konnte er es einfach nicht übers Herz bringen, sich Nüsse zu nehmen. 

„Ich-will-doch-kein-Dieb-sein-und…“ Der Maulwurf schluchzte. 

„Achherrje. Ist schon gut“, sagte die Waldmaus und tätschelte ihm den Rücken. „Danke, dass du den Vorrat nicht geplündert hast, denn ich muss meine ganze Familie damit durch den Winter bringen. Aber bis dahin ist auch noch Zeit und wir werden noch weitere Nüsse finden.“  

Dann stand sie auf und brachte dem Maulwurf eine Erdnuss, eine Haselnuss, eine Walnuss und eine Buchecker. 

„A-a-aaber“, schluchzte der Maulwurf. 

„Ist schon gut“, erwiderte die Waldmaus. „Du hast ja nichts geplündert und ich will dir helfen einen Freund zu finden. Also nehm’ die Nüsse und bring sie dem Eichhörnchen. Ich hoffe ihr werdet Freunde. Auch wenn das Eichhörnchen sich auch selbst seine Nüsse suchen kann“, fügte die Waldmaus noch hinzu. 

Der Maulwurf stürzte sich auf die Waldmaus und umarme sie herzlich. „Danke, liebe Waldmaus.“

„Schon gut, schon gut.“ Sie packte die Nüsse in ein Tuch und band sie dem Maulwurf um, sodass er damit auch durch die engen Gänge kam und auch keine der Nüsse verlieren würde. Denn schließlich brauchte er seine Ärmchen und Beinchen, um sich durch das Erdreich zu schaufeln. 

Der Maulwurf verabschiedete sich von der Waldmaus und bedankte sich noch einmal. Dann machte er sich auf den Weg zurück zum Eichhörnchen. Es dauerte länger als gewöhnlich, denn der Maulwurf musste vorsichtig sein, dass ihm das Bündchen mit den Nüssen nicht abhanden kam. Vorsichtig schaufelte er sich seinen Weg an die Erdoberfläche. 

Gerade als er oben angekommen war, stürzte sich das Eichhörnchen auf den Maulwurf. 

„Oh, Maulwürfchen! Wat freu’ ich mich, dass du wieder da bis’!“

„Ich habe dir Nüsse mitgebracht“, sagte der Maulwurf etwas schüchtern. 

Die Augen des Eichhörnchens wurden groß. „Ach, tatsächlich?“ 

Das Eichhörnchen wollte schon nachsehen, als ihm ein kalter Schauer leicht erzittern ließ und er sagte: „Aber das wär’ doch nich’ nötig gewes’n, Maulwürfchen.“

„Oh doch!“, widersprach der Maulwurf. „Das war es. Ich war gemein und habe dich…“

„Ach, ne, das wars’ du nich’. Ich war gemein und blöd zu dir. Woll’n wir nich’…Freunde sein?“

Dem Maulwurf stiegen Tränen ins Gesicht. „Oooh! Wirklich? Meinst du das Ernst?“

„Jep, kla’. Du bis’ zwar bissl’ komisch, aber das mag dich. Und du has’ sogar Nüsse für mich stibitzt.“

Der Maulwurf stürzte sich vor Freude in die Arme des Eichhörnchens. Endlich hatte er einen Freund. Dann erzählte er ihm von der Waldmaus und dass er sich nicht getraut hatte aus ihrem Vorrat zu klauen, sie ihm aber dann ein paar Nüsse mitgegeben hat. Als der Maulwurf sein Päckchen aufmachte und dem Eichhörnchen die Nüsse zeigte, war es das Eichhörnchen, dass sich voller Freude auf den Maulwurf stützte. 

„Hach, du bis’ n’ Prachtkerlchen, Maulwürfchen. Das sin’ alle mene Lieblingsnüsse!“

Dann machte sich das Eichhörnchen über die Nüsse her und schnabulierte genussvoll eine nach der anderen, während ihm der Maulwurf freudestrahlend dabei zusah. 

Als das Eichhörnchen auch den letzten Krümel verputzt hatte, sagte er feierlich: „So! Und jetzt: Spring auf!“

„Häh? Wie spring auf?“, fragte der Maulwurf. 

„Na, kletter auf meinen Rücken.“

Der Maulwurf wusste nicht so recht. 

„Mach schon! Vertrau mir. Dir passiert nix schlimmes. Ich hab’ ne Überraschung für dich.“

Mit wabbeligen Beinen kletterte der Maulwurf auf den Rücken des Eichhörnchens. Kaum war er oben, machte das Eichhörnchen einen Satz und rannte los. Der Maulwurf krallte sich am Eichhörnchen fest. Es war ein wilder Ritt. Der Maulwurf vergrub sein Gesicht tief im Fell des Eichhörnchens. Ihm war schwindelig und schwummrig und der Regenwurm von heute Morgen bahnte sich bereits seinen Weg nach oben, als das Eichhörnchen stehen blieb. 

„Ok!“, rief es. „Jetzt kannst du die Augen aufmachen.“

Auch wenn der Maulwurf kaum was sehen konnte, haute ihn das, was er sah regelrecht um. Das Eichhörnchen konnte ihn gerade noch festhalten, bevor er runter plumpste. 

„Du musst dich gut festhalten, hier geht’s ganz schön tief runter“, mahnte das Eichhörnchen. Doch der Maulwurf nahm es gar nicht richtig war, er hatte nur Augen für diesen Ausblick. Und wie es hier oben duftete! So ganz anders als am oder unterm Waldboden.

Das Eichhörnchen war mit dem Maulwurf auf die spitze eines hohen Baumes geklettert. Von hier  aus hatte man eine atemberaubende Sicht auf den Wald. Es war ein sagenhaftes grünes Meer, dass sich bis zum Horizont erstreckte. Hier und da ragten Tannen aus dem Blättermeer hervor und streckten sich den Wolken entgegen. Und erst die Wolken und der Himmel. Bisher hatte der Maulwurf immer nur das Blätterdach von unten gesehen und nur ab und zu einen Fetzen des Himmels erhaschen können. Aber jetzt sah er ihn komplett, wenn sehr verschwommen. In seinen kühnsten Träumen hätte er nicht gedacht, dass er so blau war. Ein helles strahlendes Blau. In der Mitte war die Sonne, sie war ein heller kugelrunder Ball und blendete den Maulwurf etwas. 

„Ja, in die Sonne darf ma’ nich’ schau’n“, sagte das Eichhörnchen. „Sons’ wird ma’ no’ blind, ähm also halt komplett blind.“

Der Maulwurf konnte gar nicht genug bekommen vom grünen und blauen Meer und den vielen neuen Gerüchen, die es hier gab. Das was der Maulwurf nicht sehen konnte, ergänzte das Eichhörnchen. Es erzählte dem Maulwurf von den verschiedenen Formen der Wolken, von den Vögeln, die über den Wald kreisten und vor denen man sich in Acht nehmen müsste. Von den einzelnen Baumarten, von dem Wind, der das Blättermeer zum Rascheln brachte und und und. Der Maulwurf konnte davon gar nicht genug davon bekommen. Es war das eindrucksvollste und schönste was er je erlebt hatte. 

Bis zur Dämmerung saßen das Eichhörnchen und der Maulwurf noch im Blätterdach. Das Eichhörnchen hatte auch eine ganze Weile gebraucht, um den Maulwurf davon zu überzeugen, wieder mit nach unten zu kommen. Der Maulwurf klammerte sich regelrecht am Ast fest und wollte einfach nicht gehen. 

„Aber wir sind doch eben erst gekommen“, jammerte er.

„So’n Quatsch. Wir hock’n scho’ seit Stunden hier und ich hab’ Hunger.“

„Du has’ immer Hunger.“

„Heeh!“, ermahnte das Eichhörnchen den Maulwurf. „Werd’ nich’ frech, sons’ komm ich nich’ mehr mit dir her.“

Darauf ließ sich der Maulwurf überzeugen, wieder mit nach unten zu kommen. Er klammerte sich wieder fest an das Eichhörnchen, während das Eichhörnchen geschickt den Baum nach unten kletterte. 

Das Eichhörnchen und der Maulwurf wurden die besten Freunde. Sie verbrachten jeden Tag miteinander. Das Eichhörnchen kletterte mit dem Maulwurf in die Baumkronen und der Maulwurf half dem Eichhörnchen dabei mit seiner Spürnase Nüsse zu finden. Doch Vorratskammern plünderten sie nicht mehr. Ab und zu machte die Waldmaus für das Eichhörnchen ein Päckchen mit besonderen Nüssen, das der Maulwurf bei ihr abholte. Dafür passte der Maulwurf auf die Waldmauskinder auf und erzählte ihnen die abenteuerlichen Geschichten, die er und das Eichhörnchen auf ihren Streifzügen erlebten. 

Einzig und allein der Umstand, dass der Maulwurf Regenwürmer aß, passte dem Eichhörnchen nicht. Aber dies ist eine Geschichte für ein anders Mal. 

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