König Went

I. Das königliche Reich

Pünktlich zum ersten Glockenschlag um acht Uhr morgens öffneten sich die Fensterflügel des Palastes. König Went trat auf den Balkon und betrachtete sein Reich.

Ein wundervolleres Reich musste erst noch gefunden werden. König Went war mächtig stolz, dass er der Herrscher war. Direkt unter dem königlichen Balkon erstreckte sich die Went-Allee. Wunderschöne, hochgewachsene, buschige, strahlend grüne Linden ragten weit in den Himmel hinauf. Die saftigen Blätter versuchten jeden Tag mit ihrer herzförmigen Blattkunst dem König zu schmeicheln. Eingerahmt war die Allee von einer Fassade voller Schönheit, die seinesgleichen suchte. Von seinem Balkon konnte König Went direkt darauf blicken. Die Fassade war wie eine Bühne, auf der sich tagein tagaus allerhand Schausteller tummelten, um mit ihren Theaterstücken, Arien, Operetten und Komödien König Went den Tag zu versüßen. Handgemeißelte Pflastersteine bedeckten den Boden und erstrahlten im schönsten Anthrazit. Sie waren so blank poliert, dass König Went sein atemberaubendes Antlitz tausendfach entgegenstrahlte.

Sein Reich war so schön und vielfältig, obgleich sich auch nicht großartig viel veränderte, es gab doch immer wieder neues zu entdecken und zu erleben. Denn vor allem die Schausteller gaben sich große Mühe die Gunst des Königs zu gewinnen. 

Jeden Morgen und jeden Abend gab König Went seine Kritik ab. Hatten die Schausteller gute Arbeit geleistet und den König mit ihren Aufführungen in Spannung, Ekstase und Entzückung versetzt, gab es jene lobenden Worte, nach denen sich die Schausteller mehr verzerrten als nach Wasser, Luft oder Brot.

Hatten sie den König jedoch mit ihrem Spiel gelangweilt oder gar verärgert, wandte sich König Went ohne einen Mucks von sich zu geben, mit angeekelter Miene ab. Nicht selten verfielen die Schausteller daraufhin in tiefe Depressionen. Es gab sogar einige, die man anschließend nie wieder auf einer Bühne spielen sehen konnte, manche verschwanden komplett von der Bildfläche.

König Went hatte nicht viel Zeit sich mit den Befindlichkeiten der Schausteller herumzuschlagen. Er musste sich um seinen eigenen königlichen Hofstaat und die königlichen Geschäfte kümmern. Dies hielt ihn oft genug den lieben langen Tag auf Trab und raubte ihm manchmal den letzten Nerv.

II. Der königliche Hofstaat

Der königliche Hofstaat bestand aus einem treuen Gehilfen, einer Magd und einem Knecht.

König Wents treuer Gehilfe war Jacobus, liebevoll auch Schnuppi genannt, denn er besaß die feinste Nase im ganzen Reich, mit der er auch den zartesten Duft erschnuppern konnte. Doch so gern König Went seinen Schnuppi auch hatte, er war ihm gegenüber doch immer etwas misstrauisch. Hier und da erhaschte er von ihm einen Blick, der ihn zutiefst beunruhigte. Zu Beginn machte er seinen Kopf, seine Phantasie dafür verantwortlich. Es waren reine Hirngespinste, die er sich da zusammenreimte. Sein Schnuppi würde es doch niemals wagen ihn vom Thron zu stürzen. Nein! Doch nicht sein lieber Jacobus.

Aber mittlerweile war er sich da nicht mehr so sicher. Aus diesem Grund war König Went dazu übergegangen einmal am Tag dem Gehilfen eine Lektion zu erteilen. Nichts wildes oder weltbewegendes, auch nichts was ihn verletzen konnte, nur ein kleiner Hinweis, dass er, König Went, der König war und auch blieb. Mal stellte er ihm ein Bein oder knurrte er ihn von der Seite an, mal blickte er herablassend auf ihn herab. Wenn er einen besonders skeptischen Tag hatte, versteckte er sich und griff Jacobus mit einem hinterhältigen Sprung an, was den Gehilfen so sehr verschreckte, dass er sich gut und gern den halben Tag zitternd hinter der königlichen Couch versteckte.

Neben Jacobus waren an König Wents Hof noch eine Magd und ein Knecht eingestellt. Sie stammten beide von einer äußerst unterbelichteten Spezies ab, der es an Dummheit nicht mangelte. Die beiden kamen zum Schloss dazu, als er mit Gehilfe Schnuppi einzog. Er selbst hätte diese Flachpfeifen niemals eingestellt.
Manchmal fragte er sich aber, wie es dazu kam, dass so zwei blinde Hühner überhaupt dazu kamen an einem königlichen Hof zu arbeiten. Er verdächtigte seinen Gehilfen Jacobus, was ihn noch mehr an ihm zweifeln ließ. Vorteilhaft an den Gehilfen war jedoch, dass sie umsonst arbeiteten und auch keinen Lohn oder geschweige denn Urlaub verlangten. König Went hätte ihnen auch keinen Pfifferling bezahlt, bei der stümperhaften Arbeit, die sie leisteten.
Am Schlimmsten war die Sache mit den Türen. König Went fasste grundsächlich keine Türklinken an. Pff! Wo käme er da hin? Er war viel zu fein, um so einen schmutzigen Gegenstand auch nur in kleinster Weise zu berühren. Doch die Untertanen waren zu unterbelichtet, um seinen Anweisung bezüglich der Türen folge zu leisten. Die Anweisung war so simpel, dass selbst Jacobus sie direkt verstand. Doch die beiden Toasthirne begriffen es einfach nicht. Die Anweisung lautete: eine Tür hat stets offen zu stehen, sodass König Went in seinem Schloss umherwandeln kann, wie es ihm beliebt.
Diese Nichtsnutze schlossen ständig die Türen. Immer war irgendwo eine Tür zu! Und am häufigsten war auch noch die Tür zum Speisesaal verschlossen. Was erlaubten sich diese Frevel eigentlich! Nicht mehr lange und sein Geduldsfaden würde reißen. 
Leider fasste auch Jacobus keine Türklinken an, sie jagten ihm Angst ein, wie er selbst behauptete. Für König Went war es manchmal zum Verzweifeln! Wie sollte man mit so einem Hofstaat in Ruhe ein königliches Reich regieren?

III. Die königliche Jagd

Doch noch viel schlimmer als diese nichtsnutzigen Untertanen waren die Eindringlinge. Sie waren klitzeklein, doch nervtötender als alles, was sich König Went vorstellen konnte. Und er konnte sich einiges vorstellen. 
Es waren schwarze kleine Biester, die zum allen Unmut auch noch Flügel hatten und umhersausten, wie die Gestörten.
Wenn sich einer von den Teufelsgesandten blicken ließ, gab König Went den Startschuss für die Jagd – die Königsjagd!

Selbstverständlich war jagen Königssache, aber König Went machte sich die königlichen Tatzen nur schmutzig, wenn es wirklich sein musste. Also half Gehilfe Schnuppi beim Jagen stets mit und erledigte die Vorarbeit.

Erster Punkt der Jagd: Das Erschrecken!

Mit einem wilden Sprung, einem plötzlichen Auftauchen oder heranschießen wie ein blitzschneller Pfeil, konnte man den zu Erjagenden am besten erschrecken.  

Dies war vor allem die Aufgaben des Gehilfen Jacobus. Mit seinen wilden Sprüngen zeigte er sein wahres Talent. Er konnte aus dem Stand locker zwei bis drei Meter hoch springen, wild mit den Tatzen um sich schlagen und sich um 180 Grad drehen. Das erschreckte auch den tollkühnsten und wagemutigsten Eindringling, der es wagte unerlaubt König Wents Schloss zu betreten. 

Zweiter Punkt der Jagd: Das Ermüden!

Hiermit ist nicht gemeint, dass man sich selbst als Jäger ermüdet, nein! Sondern natürlich den zu Erjagenden. Jeder noch so kleine Fluchtversuch des Eindringlings muss gnadenlos verfolgt werden. Manche Eindringlinge fallen den Jägern hier bereits zum Opfer, meistens deshalb, weil sie sich noch nicht von ihrem Schreck erholt hatten. Nicht selten passiert es hier auch, dass der Gehilfe Jacobus die Lorbeeren einheimst, was den Skeptizismus des Königs noch mehr anstachelte. Einmal kam es sogar dazu, dass Schnuppi bereits bei Punkt eins der Königsjagd den Eindringling gefasst hatte. Das war ein Kunststück! Großzügig wie König Went war, gönnte er seinem Gehilfen natürlich den Triumph, dennoch fühlte er sich übergangen. Natürlich bekam Schnuppi das in den darauffolgenden Stunden und Tagen zu spüren, weshalb er bei Punkt drei der Jagd auch keinesfalls mehr mitmachen durfte. 

Punkt drei nämlich war: Das Erschlagen!

Hier wurde kurzen Prozess mit dem Eindringling gemacht. Ein Hieb von rechts, einer von links, ein flinkes Schnappen und schwupps, war der Eindringling Geschichte. 
Das Erschlagen gebührt natürlich einzig und allein dem König!

IV. Der fette, flinke und übermütige Eindringling

Das Schloss des Königs war natürlich ein beliebtes Ziel für Eindringlinge. Vor allem im Sommer gab es täglich bestimmt ein Dutzend von ihnen. Die meisten der Untertanen im Königreich Went waren natürlich dem König ergeben und sahen ihn als ihren rechtmäßigen Herrscher an, was er natürlich auch war. Doch es gab natürlich auch die Neider, die Irren, die Verrückten und Geisteskranken, die sich einbilden, dass sie ebenso königlich und göttlich sein könnten, wie König Went. Zum Glück gab es nur wenige davon. Die meisten Eindringlinge waren einfach nur Unglückliche, die mal falsch abgebogen waren. Natürlich musste diese Fahrlässigkeit und Unachtsamkeit ebenso bestraft werden, keine Frage.

Eines Tages tauchte plötzlich ein Eindringling auf, bei dem beide Jäger selbst erschraken. Es war einer dieser, die dachten, dass sie einfach so in das königliche Schloss spazieren und die Herrschaft übernehmen könnten. Eine Unverschämtheit, die ihresgleichen suchte.

Dieser Eindringling war nicht nur unerhört dreist sondern auch skandalös flink und obendrein enorm fett. Dass jemand so massiv und gleichzeitig blitzschnell sein konnte, irritierte König Went und seinen ergebenen Gehilfen Jacobus. Doch nicht nur das. Zu allem Übel war der Eindringling auch noch widerwärtig frech! 

Zuerst einmal erboste er sich in einer solchen Höhe umherzufliegen, dass Jacobus ihn auch nicht in seiner besten Topform hätte erreichen können. Natürlich gehörte es sich für ein anständiges königliches Schloss, dass die Decken so hoch waren, wie der König königlich, bei König Wents Deckenhöhe handelte es sich natürlich um eine umbeschreibbare Höhe, die nicht mehr in Zahlen zu messen war.

Der Eindringling erboste sich, förmlich an der Decke zu kleben. Zudem platzierte er sich immer so, dass es beiden unmöglich war an ihn ranzukommen. König Went und Schnuppi konnten nur davor sitzen und dem Eindringling böse Blicke zuwerfen, was ihn auch so gar nicht einschüchterte. Es war zum Mäusemelken. Wie sollten sie diesen Eindringling nur fangen? Sie brauchten einen Plan! Und zwar einen guten. 

König Went wäre nicht König Went, wenn er nicht den besten aller Pläne für diese Situationen parat hatte. Er wusste, dass der beste Plan war, den Eindringling in Sicherheit zu wiegen. Das Ziel des Königs war es, den Eindringling zu zermürbend. Im besten Falle allerdings einfach hinterhältig zu erschlagen. Dies würde Zeit und Geduld erfordern. Beides Dinge, die weder König Went alles andere als behagten. Er ließ sich seine Wut und seine innerliche Unruhe natürlich nicht anmerken, aber in ihm drin brodelte es.

Der erste Schritt des Plans war es, sich scheinbar zurückzuziehen. Ein König und schon gar nicht König Went zog sich nicht zurück und schon gar nicht aus seinem eigenen Schloss! 

Doch besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen. Außerdem war dies nur vorübergehend, als Tarnung sozusagen, also fand sozusagen gar nicht wirklich statt, nur scheinbar. Der Eindringling wusste davon natürlich nichts und er ahnte auch nichts davon, dafür war er doch zu unterbelichtet.

Um es kurz zu machen: der Plan von König Went ging wie zu erwarten auf. Was auch sonst, es war schließlich ein königlicher Plan, dazu noch von König Went.

Wie es König Went vorausgesehen hat, wurde der Störenfried unaufmerksam, sobald König Went und Jacobus sich zurückzogen. Er verließ die sicheren Gefilde in luftiger Höhe und ZACK! Jacobus kam wie ein Ninja hervorgesprungen und verpasste dem fetten Wicht eins mit der linken Pranke, direkt vor die Nase von König Went. Der freche Widerling kauerte vor dem König und wimmerte, doch König Went machte kurzen Prozess. Der fette, flinke und übermütige Eindringling war Geschichte.

V. Die königlichen Speisen

Nach erfolgreicher Jagd jeglicher Eindringlinge und Widersacher oder manchmal auch einfach so, war es Zeit für eine Erfrischung. Wenn die Dilettanten von Angestellten nicht wie so oft die Tür zum Speisesaal geschlossen hätten, hätte König Went sich natürlich selbst am königlichen Brunnen bedient – doch die Tür war wie so oft verschlossen. Manchmal fragte er sich, warum es überhaupt diese Türen in seinem Schloss gab. War es vielleicht, um hinterhältig, hinter verschlossener Tür, Pläne für seinen Sturz zu schmieden? Aber das würde doch niemand wagen…

Wie so oft, musste König Went Gehilfe Schnuppi losschicken, um die Stümper zu holen, während König Went vor der Tür wartete und viel zu lang auf und abtigerte. Wie er diese Warterei verabscheute. Jegliches Aufschieben des königlichen Tagesablaufes sollte eigentlich mit dem Kerker bestraft werden, doch wo sollte man eine neue Magd und einen neuen Knecht herbekommen, heutzutage wollten die meisten Schausteller werden. Gehilfe Jacobus war für die Magd- und Knecht-Aufgaben natürlich vollkommen ungeeignet, schon allein das Anfassen der Türklinke. 

Wenn man der Warterei etwas Gutes abgewinnen konnte, dann war es die Kunst, die in dieser Zeit aus König Went nur so herausfloss. Hier eine Kostprobe:

Oh Zwischenmilch, oh Zwischenmilch,
wie schön ist deine Packung.

Du bist so gut und schmeckst so zart,
dein weißes Kleid, das mich umgarnt.

Oh Zwischenmilch, oh Zwischenmilch,
wie schön ist deine Packung.

oder:

ZwiMi, oh du meine Süße,
kommst frisch aus dem Tetra-Pack,
wenn mir schmerzen arg die Füße,
dann hilft nur noch dein Geschmack.

Frisch und kühl und samt und seidig,
fließt du in den Rachen rein.
Ja, du bist so sehr geschmeidig,
bist für alle Zeiten mein.

Endlich kamen die Faulpelze im Schlepptau von Gehilfe Schnuppi angeschlürft und König Went hatte nun wieder besseres zu tun, als Lieder zu dichten, er musste die süßlich, samtene, weiße Köstlichkeit schlürfen, die die Magd in sein königliches Schälchen füllte.
Hach! Wie gut das tat.

Doch manchmal war König Went tatsächlich enttäuscht nach den Mahlzeiten. Die Magd und der Knecht waren nicht allzu kreativ und fähig und er malte sich seine Speisen doch immer etwas wunderbarer aus, als sie dann am Ende schmeckten. Wenn er doch nur selbst seine Gerichte zubereiten könnte. Es wären keine bloßen Speisen, kein Essen, keine Mahlzeiten und keine Gerichte mehr. Das Essen würde zum Festmahl, zum Schmaus, zum Bankett oder zum Dinner werden. 

Es würde nicht einfach nur Lachs geben, sondern ein wohlmundende Parfaits aus Nordatlantiklachs mit Kaviarschäumchen und knuspriger Hähnchenhaut. Es gäbe kein stickendes Futter aus der Dose, sondern Lammmagen, umwickelt mit Rindercarpaccio und gefüllt mit Fischaugen und Ziegenherzen, rohe Thunfischfilets in Butter geschwenkt und mit Kokosnussraspeln bestreut, geschmeidige Mozzarellakügelchen gefüllt mit Tatar, ein Eierlei aus Hering, Lachs und Kabeljau mit aufgeschlagenem Ei überträufelt, Baconscheiben mit Ziegenkäsehäubchen, blutige Rinderherzen mit rohen Hackfleischbällchen und Sahnetupfen, getrocknete Fischhaut mit Eigelb-Glasur…

Hach! Er könnte Stunden so weitermachen. Vielleicht musste er Gehilfe Schnuppi dazu bringen, sich an den Herd zu stellen und seine zahlreichen Rezepte zuzubereiten. In der Zwischenzeit könnte er weiter an seinen Liedern und Gedichten arbeiten, die Jacobus ihn dann beim dinieren vortragen könnte.

Plötzlich hörte König Went ein Miauen. Ein fremdes Miauen.
Auf einmal kam ein grauer Kater um die Ecke stolziert und holte König Went aus seinen Tagträumen…

VI. Ein königliches Duell

König Went traute seinen Augen nicht. Wie konnte ein fremder Kater in sein Schloss gelangen? War es überhaupt ein echter Kater oder eine Illusion? Ein Zaubertrick? Schabernack, der mit ihm getrieben wurde? War es Gehilfe Schnuppi der in einen grauen Farbeimer gefallen war?

Der fremde Kater miaute erneut. Nein, Gehilfe Schnuppi war das nicht. Das Miauen war fremd und seltsam hoch. Gehilfe Schnuppi hatte ein angenehmes Miauen, ein sonores Miauen in der mittlerer Tonlage, genauestens abgestimmt auf seine königlichen Ohren. Das Miauen des fremden Katers schrillte ihm in den Ohren.

War es der Wahnsinn? 

Schon oft hatte er in Büchern gelesen und gehört, dass Könige wahnsinnig geworden waren. Wie war und ist nicht bekannt. Vielleicht eine royale Erbkrankheit, die nur Könige befallen kann?

War diese graue Tunichtgut etwa der Übermittler? Die Krankheit selbst? Der Wahnsinn in Katergestalt? Wie würde er ihn infizieren? Würde er ihm ins Gesicht niesen oder ihm einen blutigen Kratzer verpassen? Reichte es bereits, wenn er ihn berührte? 

König Went wollte schon einen Schritt zurück treten, doch halt! Ein König tritt keinen Schritt zurück!

„Krankheit!“, dachte König Went. „Dass ich nicht lache!“
Das war völliger Humbug, Pustekuchen.
„Dem zeig ich’s, ob Krankheit oder nicht. Er wird erfahren, wer König Went ist und dann wird er für immerdar in der Hölle schmoren!“

König Went richtete sich zur voller Größe auf und ließ sein Fell wie spitze Stacheln nach oben ragen. 

Der graue Kater miaute erneut.

„Brrrrr…grrrrr!“, brummte König Went. „Lass dir das eine Warnung sein“, fuhr er fort. „Noch ein Miauen, noch einen Schritt weiter und du bekommst meine tödliche Tatze zu spüren!“

Der graue Kater blieb stehen. 

„Du wärst nicht der erste heute, den ich damit erledige!“, zischte König Went.

„Entschuldigt bitte die Störung, werter König“, antwortete der graue Kater. In seiner piepsigen Stimme lag ein leichtes Schnurren.

„Wer bist du und was willst du? Halte dich kurz. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Schließlich bin ich König!“, verkündete König Went.

„Balu ist mein Name, Ihre royale Erhabenheit“, fuhr der graue Kater fort. „Und ich bin hier, um Ihnen, Ihre majestätische Exzellenz, meine Dienste anzubieten.“

„Was für Dienste?“, fragte König Went. Der graue Kater ging ihm auf die Nerven. Seine Stimme brachte sein Trommelfell fast zum Platzen, so hoch war sie, sein Name war lachhaft und sein Fell von erbärmlicher Farbe. Was sollte dieser Wicht ihm, dem König aller Könige, schon anbieten können?

„Ich würde gerne meine Dienste als royaler Türöffner anbieten, geliebter König“, antwortete Balu. 

„Was?“, fragte König Went verdattert. 

„Royaler Türöffner“, antwortete Balu erneut. „Ich kann exzellent springen und lautlos jegliche Tür der Welt öffnen.“

„Ich hab’ dich schon verstanden“, rief König Went.
„Was für ein Hornochse“, dachte er. „Hält der mich eigentlich für blöd. Gehilfe Schnuppi kann keine Türen öffnen und ich auch nicht. Demnach lassen sich Türen nicht öffnen, denn sonst könnte ich es ja. Will der mich vergackeiern? Dieser Tölpel!“

„Na dann“, sagte König Went mit schleimiger Stimme. „Führe deine Künste vor.“

Balu nickte und verbeugte sich tief vor dem König. Er setzte sich direkt unter die Türklinke zur Küche.

„Dieser Widerling!“, dachte sich König Went. „Hätte ich’s mir gleich denken können, dass er einfach nur in die Küche möchte, meine Vorräte stibitzen. Womöglich noch aus meinem königlichen ZwiMi-Brunnen trinken. Der Halunke!“

Balu setze zum Sprung an. Es geschah in Sekunden. Kaum hatten Balus vordere Tatzen den Fußboden verlassen, fuhr König Went seine Krallen aus, hob seine Tatze und schlug dem Taugenichts erst eins auf den Bauch und dann auf die Nase. Balu fiepte. Noch ehe er oder König Went weiter reagieren konnten, kam von oben, wie aus dem Nichts, Gehilfe Schnuppi angeflogen und landete auf dem Rücken des grauen Eindringlings. Rasant schlug Schnuppi auf seine Flanken ein. Balu fiepte erneut, wandte sich los und stützte davon. Gehilfe Schnuppi schoss ihm hinterher.

„Das hat ja auch lang genug gedauert“, dachte sich König Went. 

König Went setzte sich vor die verschlossene Küchentür und rief nach dem Knecht und der Magd. Nach der ganzen Aufregung konnte er jetzt eine Beruhigungsmilch vertragen.

VII. Die königliche Ruhe

König Went hatte es nicht leicht. Aber welcher König hat das schon? All die Verpflichtungen, denen er nachgehen musste, all die Kämpfe die er tagein tagaus austragen musste. Dank konnte er nicht erwarten. Das Volk nahm ihn für Selbstverständlich. König Went: der Fels in der Brandung, die Luft, die zum Atmen da ist.

„Vielleicht sollte ich meine Geschichte festhalten“, dachte König Went. „Das Leben und Leides des König Wents.“ 

Zufrieden mit seinem königlichen Arbeitstag und dem Titel seiner Memoiren begab sich König Went in die royalen Schlafgemächer. Gehilfe Schnuppi schlummerte bereits auf seinem Wachposten, der über dem königlichen Bett positioniert war. 

„Warum heißen die Dinger eigentlich Wachposten, wenn er dort immer wieder einschläft?“, fragte sich König Went. 

Hach, wenn alle doch nur so zuverlässig wären, wie er. Doch König Went war kein grausamer Herrscher und gönnte seinen Untertanen nach einem arbeitsreichen Tag natürlich eine ausreichend Menge Schlaf. Am wichtigsten war nun aber, dass er seine königliche Ruhe bekam. Am morgigen Tag würden bestimmt wieder zig Widersacher und Taugenichtse darauf warten von ihm in die Schranken verwiesen zu werden.

Elegant sprang König Went auf sein Bett. Am liebsten hätte er sich die Pfote vors Gesicht geschlagen. Seelenruhig schliefen dort, in seinem Bett, die Magd und der Knecht. Sie hatten jeden Abend die Aufgabe sein Bett für ihn vorzuwärmen. Und wie fast jeden Abend schliefen sie dort einfach ein. Diese Stümper. 

König Went war aber nun zu müde, um seine Untertanen zu so später Stunde noch zurechtzuweisen. Er stapfte grob über sie hinweg, zog der Magd einmal an den Haaren, dem Knecht am Bart und kringelte sich dann in seiner königlichen Federdecke ein. 

König Went schlief seelenruhig und träumte von einem königlichen Tag, an dem es nichts anderes zu tun gab, als köstliche Lachscanapés zu kosten.

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